Grevenbroich – Ein Arbeiter im gelben Overall hängt in 130 Metern Höhe an einem Seil. Er ist tot.
Zwei weitere Kollegen des Mannes kamen ums Leben, als gestern gegen 16.30 ein Gerüst an einem der 170 Meter hohen Treppentürme einstürzte. Stahlträger mit 100 Tonnen Gewicht fielen in die Tiefe, rissen die Arbeiter mit sich! Eines der Opfer liegt auf einem Querträger in 70 Metern Höhe. Der dritte Tote liegt auf dem Boden unter einem Gerüstteil Ersten Erkenntnissen zufolge stammen die Todesopfer aus Tschechien und der Slowakei.
5 Männer (zwischen 20 und 30 Jahren) – ebenfalls slowakischer und tschechischer Nationalität – kamen mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus. Inzwischen sollen sie außer Lebensgefahr sein. Ein Einsatzhelfer erlitt einen Herzinfarkt, wurde ebenfalls ins Krankenhaus gebracht.
Zunächst hatte die RWE berichtet, dass bei dem Unfall fünf Menschen ums Lebens kamen. Harald Viethen, Sprecher des Rhein-Kreises Neuss: „Diese Zahlen haben sich glücklicherweise als falsch herausgestellt, weil doch weniger Menschen auf dem Gerüst arbeiteten als zunächst geglaubt.“
Die Rettungskräfte bemühen sich nun, die Leichen der getöteten Bauarbeiter zu bergen.
Ein Polizeisprecher: „Die Sicherungsarbeiten für die Bergung werden vorbereitet, das ist alles sehr aufwendig.“
Statiker sowie ein Großaufgebot an Einsatzkräften von Polizei und Feuerwehr untersuchen die Unglücksstelle. Die schwierige Aufgabe ist, einen Weg zu finden, wie die Leichen trotz der bedrohlich über der Unglückstelle hängenden Stahlgerüstteile geborgen werden können.
Um Erschütterungen zu vermeiden, sind Flüge über der Unglücksbaustelle verboten.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP): „Wir stehen noch immer unter Schock.“
Bernd Fritsche (46), der auf der Baustelle arbeitete, sieht die Tragödie: „Urplötzlich hörte ich Geräusche von oben, es kam alles runter. Ich habe geschrien: ,Lauft, lauft!“
Sein Sohn (19) steht direkt unter dem zusammengebrochenen Gerüst, rettet sich im letzten Moment unter einen Stahlträger: „Ich habe gedacht, ich schaffe es nicht mehr. Ich habe gebetet wie noch nie in meinem Leben. Es war so furchtbar.“
Dietmar Letzian (48), ein weiterer Überlebender: „Es war ein Rauschen, als wenn ein D-Zug kommt. Dann kam der Aufschlag. Danach war eine mörderische Stille über der Baustelle. Kein Hilfeschrei war zu hören.“
Bei dem zusammengebrochenen Gerüst handelt es sich um ein Teilstück des Großkessels. Warum sich die Konstruktion löste, ist noch unklar.
Das Unglück passierte auf der größten Baustelle Europas (so groß wie 50 Fußballfelder, bis zu 4000 Beschäftigte). Der Energiekonzern RWE will hier das modernste Braunkohlekraftwerk errichten. Ab dem Jahr 2010 sollen hier 10 Millionen Menschen mit Strom versorgt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte erst im August den Grundstein für das Großprojekt gelegt.
Die normale Arbeit auf der Baustelle soll nach RWE-Angaben bis mindestens Montag ruhen.